Unabhängigkeit der Marktkonzentration
Es ist schon erstaunlich: Seit Beginn der TV-Season 2005/2006 drängen immer mehr Seiten mit TV-Themen ins Netz. Neben etablierten Größen versuchen nun auch kleine Anbieter am Online-Markt mitzumischen. Könnte man zumindest meinen. Doch beim genaueren Hinsehen werden die neuen Seiten meist aus einer Hand ins Leben gerufen, Kooperationen mit anderen Webseiten geschlossen und ein Contentrecycling betrieben. So findet man dann auch all zu oft seitenübergreifend identische Inhalte.
Journalistisch betrachtet geht dabei die Unabhängigkeit und Individualität jeder einzelnen Webseite verloren. Das finde ich persönlich bedauerlich, denn interessierte User werden nur noch aus einem Pool mit Informationen versorgt. tvnewz.de strotzt diesem Trend und wird auch 2006 alles dafür geben, unabhängig zu bleiben und Akzente zu setzen. Mit innovativen neuen Ideen gilt es sich immer wieder neu zu erfinden "“ eben ganz wie die Fernsehmacher selbst.
Was den meisten Online-Redaktionen recht und billig, ist bei den großen TV-Sendern schon seit Jahren auf der Tagesordnung. Auch wenn man sich kaum erinnern mag: Im Entstehungsstadium der heutigen Fernsehwelt waren Sender und Programme weitestgehend unabhängig. Es ist wohl den Zwängen der Marktwirtschaft zu verdanken, dass anno 2006 wenig davon geblieben ist. Fernsehsender haben sich zusammengetan und existieren nur noch als Holding bzw. Group. Populärstes Beispiel ist wohl der Zusammenschluss von ProSieben und sat.1 zur ProSiebenSat.1 Media AG.
Und da wird es für crime TV interessant. Sicher ist auch Ihnen nicht entgangen, dass Axel Springer ProSiebenSat.1 Media übernehmen will. Nur hat man wohl bei der Kalkulation nicht die Rechnung mit der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) gemacht. Diese fordert einen unabhängigen Programmbeirat mit wirtschaftlicher Entscheidungskompetenz, um die Übernahme abzuwinken. Dazu muss man wissen, dass Axel Springer mit der BILD journalistisch bereits das wirtschaftliche Meinungsmonopol im deutschen Zeitungsmarkt hat. Die BILD ist das größte Boulevardmagazin Deutschlands und für Springer eine sprudelnde Geldquelle. Dass Axel Springer die Forderung der KEK als indiskutabel bezeichnete nun aber doch wieder verhandelt, ist also nicht verwunderlich. Der ProSiebenSat.1 Media Übernahme-Deal würde schließlich auch eine marktbeherrschende Stellung im TV-Sektor bedeuten.
Denn den deutschen Fernsehmarkt teilen sich eigentlich drei Große: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Bertelsmann als Anteilseigner der RTL Group und eben ProSiebenSat.1 Media unter der Nochleitung von Haim Saban und seiner Investorengruppe German Media Partners. Würde Springer nun die ProSiebenSat.1 Media AG übernehmen, wäre die Meinungsvielfalt der Medien in Deutschland faktisch ausgehöhlt und zugunsten Axel Springers verschoben. Ein Monopol im Zeitungs- und Fernsehmarkt für die KEK undenkbar. Deshalb legt die KEK den Maßstab für die Übernahme besonders hoch: Ein unabhängiger Programmbeirat mit wirtschaftlicher Entscheidungskompetenz, jedoch ohne Unternehmerrisiko, stellt für mich unter Berücksichtigung makroökonomischer Grundsätze eine nahezu unlösbare Aufgabe dar.
Deshalb frage ich mich, was die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich damit bezwecken will? Denn auch wenn die KEK nicht zustimmen sollte, kann Axel Springer noch auf einen Ministererlass hoffen. Will man sich hier einfach nur wichtig tun oder steckt doch vielmehr ein ernsthaftes Interesse am Erhalt der Medienvielfalt und Meinungsbildung in Deutschland dahinter? Man weiß es nicht genau. Fakt ist, dass die Unabhängigkeit der Fernsehsender längst auf der Strecke geblieben ist, egal wie nun entschieden wird. Hinter den Sendern sitzen längst große Wirtschafts- und Politiklobbys, die sich ihren Einfluss auf die TV-Medien nicht durch die KEK diktieren lassen werden…